Zeitreise in eine lebendige Antike

Wer die Herren der prächtigen Villa Rustica von Hechingen-Stein waren, ist nicht bekannt. War es ein verdienter Veteran, der nach dem Ausscheiden aus dem Legionsdienst hier ein ziviles Domizil bezog? Oder ein wohlhabender Bürger von Sumelocenna (Rottenburg), der sich - wie der große Cicero auf sein Tusculanum - zur Erholung hierher zurückzog? Oder war es ein Farmer, der von diesem Hof aus die Versorgung des Heeres unterstützte? Immerhin ist diese Farm eine der größten unter den 1500 Gutshöfen, deren Spuren man in Baden-Württemberg im Hinterland des römischen Limes gefunden hat. Die Frage nach dem Eigentümer konnte auch die 6a des Georgii-Gymnasiums nur vermutungsweise beleuchten, als sie sich am Fuß der Burg Hohenzollern auf historische Spurensuche nach der Villa Rustica aus ihrem Latein- und Geschichtsbuch machte. Das Freilichtmuseum, auf dessen Gelände seit den 70er- Jahren des letzten Jahrhunderts systematisch gegraben wird, bietet Erstaunliches. Große Teile der Porticusvilla wurden aufgerichtet und geben ein anschauliches Bild von den vermuteten ursprünglichen Verhältnissen. Werkstätten, Badeanlage, Heiligtum, Müllerei und Bäckerei zeugen von einem ebenso autarken wie wohlhabenden landwirtschaftlichen Betrieb eines einflussreichen Herren. Beim Herstellen von Brot nach römischer Rezeptur vom Mahlen des Korns bis zum Herausholen aus dem Rundofen galt es, sich gemeinsam in den Arbeitstakt einer Müllerei und Bäckerei einzufügen. Auch eine Art Sozialtraining! Beim Betreiben einer Balkendrehmühle kann einem ganz schön schwindlig werden. Der Gang über das Gelände und insbesondere durch das Herrenhaus veranschaulichte das Szenario, welches die Schüler aus der Lektüre in ihren Vorstellungen haben: Hof, Küche, Triclinium, Wohnräume, Hypokaustenheizung, Fensterglas, Latrine und Kräutergarten vermitteln ein eindrucksvolles Bild von der Lebenswelt der Römer nicht nur in der obergermanischen Provinz.In der Latrine wurde die Herkunft des Ausspruchs „pecunia non olet“ geklärt, in den Thermen die Geschichte eines Herrn nachgefühlt, der sich, von seinen Sklaven verprügelt, auf dem glühendheißen Badeboden schwerste Brandverletzungen zuzog. Die niedrigen Hypokaustensysteme wurden von kleinen Kindern gereinigt, die zu diesem Zwecke als eine Art Kaminfeger von der Heizöffnung zwischen die engen Säulen kriechen mussten. Beim abschließenden Grillen wurde der Hunger gestillt und so manches besprochen. Die spannende und praktische Erforschung der Gutsanlage war ein gemeinsames Erlebnis und eine Zeitreise in eine lebendige Antike.

06.08.2009 © Eßlinger Zeitung

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