An die Abiturienten

28.06.2006  –  Non plus ultra? - Grußwort des Schulleiters, Joachim Scheffzek, an die Abiturienten 2006.

Non plus ultra?

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,

endlich – endlich Abitur, endlich ist die Schulzeit, endlich ist die gemeinsame Arbeit mit Euch, mit Ihnen, die jetzt im Abitur 2006 zu einem Abschluss kommt.
Endlich - ist doppeldeutig: endlich – ist, entsprechend intoniert, ein Wort der Erleichterung: „endlich!“  Dann bedeutet es etwa soviel  wie: uff! Jetzt ist es geschafft!  Hurra, ich hab’s hinter mir! Ich habe den Abschluss! Ich bin am Ende angekommen, am äußersten Punkt, der der Abschluss einer Lebensepoche, der  Schulzeit  ist. Nun plus ultra, weiter geht es am Gymnasium nicht.  Etwas ist an sein Ende gekommen, und das wirkt befreiend, erleichternd, beflügelnd.  Man möchte mit diesem Empfinden die Welt umarmen. Jetzt mag die Weltuhr stille steh’n, ja, so ein Tag, heute liegt die Welt vor mir… es umfängt einen das ozeanische Gefühl der Aufgehobenheit im Jetzt.
„Endlich“ bezeichnet aber gleichzeitig in anderem Kontext und mit veränderter Intonation die Vergänglichkeit, die Endlichkeit  von etwas: wer das Wort so gebraucht, sinniert über den Gang der Welt, über die Begrenztheit von allem, was ist und was wir tun; ein solches  Lied klingt eher ernst, wehmütig, melancholisch.  Was, du gehst? - - - schon…? Ach, mir ist so wunderlich zumute!?  Und schon die ältesten Texte unserer Geistesgeschichte beschreiben dieses Endlichkeitsgefühl: „Wie die Blätter sind wir – ...“, sagt der Dichter der Ilias.  Und eben auch das Abitur 2006, dieses Ende unserer gemeinsamen Arbeit mit Euch,  fasst in sich beide Gefühle: das Gefühl des Abschieds, des Abschließens, des Abgangs (ab-itur) und vor allem das Gefühl der Freude mit Euch über das gemeinsam Erreichte, wozu wir Euch von Herzen beglückwünschen. Es erscheint  ebenso paradox wie es selbstverständlich ist: Ende und Neuanfang gehören zusammen, an einem Ende angebunden sind Wehmut und Freude.  Das macht das Zauberhafte solcher Momente aus. Es wäre ja auch merkwürdig, wenn es nicht so wäre. 
Wohin? Der Blick in die Zukunft geht immer von einem Gegenwärtigen aus, das die Vergangenheit zur Voraussetzung hat. „Lieber Herr Scheffzek, nun bitten wir Sie, uns mitzuteilen, was Ihrer Meinung nach aus den Schülerinnen und Schülern des Abiturjahrgangs 2006 im späteren Leben wird.“  Es ist verlockend und zauberhaft, derlei Voraussagen zu machen, und es erforderte zugleich die Fähigkeiten des delphischen Gottes.  Ich könnte auch mit Karl Valentin kalauern: Die Zukunft – war früher auch besser.  Aber im Ernst, eines kann ich sagen: das, was wir miteinander „gebaut“ und „zu Wege gebracht“ haben, wird jeden einzelnen in seine Zukunft hinein bedeutungsvoll begleiten.  Im letzten Jahr zeigte die Basler Fondation Beyeler eine Ausstellung mit Werken des Malers René Magritte unter dem Titel „Der Schlüssel der Träume“. Ein Schlüssel der Träume, ein Schlüssel der Zukunft  ist  und bleibt Eure Zeit der Bildung  am Georgii-Gymnasium.  Und entgegen dem allgemeinen Lamentieren in uns und um uns herum wünsche ich Euch und uns, dass wir mit Optimismus und Selbstvertrauen in diese Zukunft gehen, dass wir anpacken, dass wir von uns aus gestalten und Ziele ausdauernd ansteuern -  und dass wir dies in dem Bewusstsein tun, von hier und heute Wertvolles mitzunehmen. 

Alles Gute!

Euer

Joachim Scheffzek          29.06.2006
-Schulleiter-