In China entsteht das größte Wasserkraftwerk der Welt

1,3 Millionen Menschen werden umgesiedelt – Kritiker fürchten einen Dammbruch mit Flutwelle


Peking – Der Bau des umstrittenen Drei-Schluchten-Staudamms in China, der das größte Wasserkraftwerk der Welt werden soll, geht in diesen Tagen in eine entscheidende Phase.

Ein riesiger Lastwagen nach dem anderen rollt derzeit an den Jangtse-Strom bei Sandouping in Zentralchina und kippt tonnenschwere Felsbrocken in die Fluten. Am Samstag wird der Fluss völlig gesperrt sein und durch einen Kanal neben der Baustelle umgeleitet. Eine 185 Meter hohe und 2309 Meter lange Staumauer wird entstehen, um den drittlängsten Fluss der Erde zu stauen. Das gigantische Projekt bei Yichang in der Provinz Hubei, das bis zum Jahre 2009 fertig werden soll, soll der Energiegewinnung, der Bekämpfung von Überschwemmungen und der besseren Navigation dienen. 

Doch ist es wegen seiner technischen und finanziellen Risiken, der Umsiedlung von 1,3 Millionen Menschen und der schwer einzuschätzenden Auswirkungen auf Natur und Umwelt stark umstritten.

Bericht von Andreas Landwehr in der Stuttgarter Zeitung vom 7.11.1997
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

Allein um die Umsiedlung zu bewältigen, will die chinesische Regierung rund 40 Milliarden Yuan (heute 8,5 Milliarden Mark) ausgeben. Bisher wurden mehr als 80.000 Menschen umgesiedelt, um dem Stausee von mehr als 600 km Länge Platz zu machen. 1600 Fabriken, zwei Städte und mehr als 100 Ortschaften und 700 Schulen werden durch den steigenden Wasserspiegel überschwemmt. 

Kritik gibt es reichlich. So wird befürchtet, dass Menschen zwangsweise umgesiedelt werden und nicht genügend Ent-schädigungen bekommen könn-ten. Bauern wollen angestammte fruchtbare Äcker nicht gegen höhergelegene karge Böden eintauschen. Experten fürchten wegen der vielen Abwässer ökologische Probleme. Auch werden Müllkippen und industrielle Altlasten ebenso in den Fluten untergehen wie wichtige Kulturgüter. Doch die wahre Schreckensvision wäre ein Dammbruch mit einer katastrophalen Flutwelle. Mögliche Qualitäts-mängel, ein Angriff im Kriegsfall oder ein Erdbeben werden angeführt. Chinesische Experten weisen Bedenken zurück.