Abraham Schweizer

Stolpersteinverlegung am Georgii-Gymnasium Esslingen 2013

Esslingen, den 20.01.14 (J.M.)  - Auch im Jahr 2013 wurden in Esslingen und am GG wieder „Stolpersteine“ verlegt. Insgesamt befinden sich jetzt fünf solcher Steine vor dem Portal unserer Schule: Neben den schon vorhandenen Steinen für Boris Ledermann, Georg Liebel und Magdalene Maier-Leibnitz  kamen zwei weitere „Stolpersteine“ zum Andenken an Leopold und Martha Goldschmidt hinzu.

Manches Mal, wenn man einen Ausflug durch die Stadt Esslingen am Neckar unternimmt, begegnen einem goldfarbene Pflastersteine. Diese Steine sind kleine, aber auffällige Mahnmale, die den Passanten an die Opfer des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs erinnern sollen. Zehn mal zehn Zentimeter groß und mit einer Gedenktafel aus Messing werden die sogenannten „Stolpersteine“ heutzutage zum Gedenken an Personen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und oftmals auch getötet wurden, in den Boden eingelassen. Jedes Jahr wird somit auch über das Leben von Menschen, die unter dem Hitler-Regime leiden mussten, recherchiert und anschließend werden sie mit diesen „Stolpersteinen“ geehrt. Den Respekt, den die kleinen Gedenksteine gegenüber ihren Namensträgern ausdrücken, soll Angehörigen auch ein wenig Trost spenden. Die Steine regen den Betrachter zum Nachdenken an und lassen den Schrecken jener Zeit in Erinnerung behalten, in der Hoffnung, dass sich solche grausamen Taten in Zukunft niemals wiederholen.
In Esslingen begann die Verlegung der kleinen Denkmäler im Jahr 2008, und bis heute gibt es ungefähr 40 „Stolpersteine“ in der Stadt.

Stolpersteinverlegungen in Esslingen
Zur jüngsten Verlegung am Mittwoch, dem 13.11.2013, wurden 13 neue Stolpersteine von der alten Lateinschule am Marktplatz, über das Mörike-Gymnasium bis hin zum Theodor-Rothschild-Haus, also in ganz Esslingen, verlegt. Gedacht wurde dabei an Walter, Thekla, Leopold und Martha Goldschmidt, Abraham Schweizer, Ella Moses, Sofija Belkina, Johann Lubela, Andrej Kowaliow, Lore Akulewitsch, Doris Einstein, Thea Kaufmann, Rolf Moritz Rosenfeld und ihre Familien. Die Verlegung war eine freiwillige Veranstaltung, der auch einige Schüler des Georgii-Gymnasiums beiwohnten. Die Verlegungsorte, die verteilt über die Esslinger Innenstadt liegen, sind keineswegs zufällig ausgewählt, sondern die letzten Wohnorte, Arbeits- und Lehrplätze beziehungsweise Schulen der Personen, an die erinnert wird.
Um Punkt neun Uhr begann die erste Verlegung des Tages an der alten Lateinschule: Hier lernte nämlich Abraham Schweizer, der diese Bildungsanstalt von 1890 bis 1893 besuchte, bevor er mit seiner Familie nach Stuttgart umzog. Eine kleine Gruppe von Schülern und Lehrern des Georgii-Gymnasiums, Geschichtsinteressierten und Mitgliedern des Vereins „Denkzeichen“ versammelte sich um den Künstler Gunter Demnig, der den Stein verlegte.
Die weiteren Verlegungen erfolgten, ebenfalls von dem Künstler durchgeführt, wie folgt: Als nächstes wurde Ella Moses an ihrer ehemaligen Schule, dem Mörike Gymnasium, gedacht. Dann verlegte Demnig die Steine für die Geschwister Martha und Leopold Goldschmidt in der Neckarstraße und die für Sofija Belkina, Johann Lubela und Andrej Kowaliow am Theodor-Heuss-Gymnasium. Den Schluss bildete die Verlegung der Stolpersteine für Lore Akulewitsch, Doris Einstein, Thea Kaufmann und Rolf Moritz Rosenfeld vor dem Theodor-Rothschild-Haus, dem ehemaligen jüdischen Waisenhaus


Stolpersteinverlegung am Georgii-Gymnasium
Insgesamt befinden sich jetzt fünf Stolpersteine vor dem Portal unserer Schule. Schon in den letzten Jahren wurden nämlich solche Steine zur Erinnerung an Boris Ledermann, Georg Liebel und Magdalene Maier-Leibnitz verlegt.

2013 ehrte das Georgii-Gymnasium erneut zwei Opfer des Nationalsozialismus, Leopold und Martha Goldschmidt, mit einem „Stolperstein“ auf dem Schulgelände. Zum Gedenken gab es am Dienstag, dem 12.11.13, eine Veranstaltung mit Präsentationen zu dem Leben der jeweils Geehrten. Durch Besucher aus den USA und Israel wurde die kleine Versammlung zu etwas ganz Besonderem.

Um 9:30 Uhr wurden die Oberstufenschüler in die Aula gebeten. Nach einer kleinen Konzerteinlage folgte die Ansprache des Schulleiters Joachim Scheffzek. Er erzählte von Martha Goldschmidts Tagebuch, über die Zeit, in der die Schule einige ihre Schüler verwies, egal ob diese lernwillig waren oder nicht und von der Zeit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg.

Nach der Rede des Rektors folgten kurze Präsentationsbeiträge zu den Biografien der diesjährig geehrten Personen. So zum Leben von Lore Akulewitsch: Die Stuttgarterin war ein Heimkind und aufgrund schlechter Schulzensuren wurde sie zu einem „unbrauchbaren“ Dienstmädchen erklärt. Man nimmt an, dass sie 1942 in einem Konzentrationslager im Osten getötet wurde.

Auch Rolf Moritz Rosenfeld, geboren1929, ging in Esslingen von 1935 bis 1936 zur Schule, wurde 1942 nach Theresienstadt verschleppt und ein Jahr später in Auschwitz umgebracht.

Die Präsentation des Lebens Abraham Schweizers wurde von Schülern der Kursstufe 1 vorbereitet. Schweizer erblickte am 3. Februar 1875 in Schopfloch in der Nähe von Dinkelsbühl das Licht der Welt. Als Sohn des jüdischen Kaufmannes Joseph Schweizer und dessen Ehefrau Jette Schweizer, einer geborenen Feuchtwanger, besuchte er zunächst das Lyceum in Schwabach und kam im Herbst 1890 an die Lateinschule in Esslingen, an der er zu jener Zeit einer von zwei jüdischen Schülern war. Nach dem Umzug der Familie nach Stuttgart im Jahr 1893 wechselte der Heranwachsende an das dortige Karlsgymnasium. Als einer der Klassenbesten meisterte er nur drei Jahre später das Abitur. Sein anschließendes Studium führte ihn nach Würzburg, Berlin und schließlich auch nach Tübingen, wo er es mit einer Doktorarbeit über die Textgrundlagen des ersten Makkabäerbuches im Jahr 1900 beendete.
 
Daraufhin erfüllte sich Schweizer seinen langjährigen Berufswunsch und wurde von 1904 bis 1913 Rabbiner des Bezirksrabbinats Weikersheim und war zudem Vorstandsmitglied im Verein Baden-Württembergischer Rabbiner. In seiner Zeit in Weikersheim lernte er auch Zerline Bamberger, die Tochter des Bezirksrabbiners Nathan Bamberger aus Würzburg, kennen und heiratete sie im Jahr 1906. Drei Jahre später bekam das Paar einen Sohn: Aaron Schweizer erblickte am 25. Februar 1909 das Licht der Welt. Das Glück der jungen Familie währte jedoch nicht lange, denn schon 1913 verstarb Zerline Schweizer und noch im selben Jahr wurde Schweizer zum Bezirksrabbiner der Gemeinden Horb, Baisingen, Mühringen, Nordstetten, Rexingen, Rottweil und Tübingen ernannt. Er war der erste Rabbiner mit Wohnsitz in Horb, einer aufstrebenden, jüdischen Gemeinde. Einige Zeit darauf lernte er seine zweite Frau Mina Marx kennen, von der er sich 1922 aber wieder scheiden ließ.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 war Schweizer als Kriegsseelsorger und für die Fürsorge von Verwundeten tätig. Aufgrund dieser Verdienste in Kriegszeiten verlieh ihm der württembergische König Wilhelm II. einen besonderen Orden, das Charlottenkreuz. Schweizer hatte sein Amt als Rabbiner inne, bis er 1939 in Ruhestand trat. In der Reichspogromnacht, der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, wurden Rabbiner in ganz Deutschland verhaftet und in Konzentrationslager deportiert, Synagogen und Geschäfte jüdischer Besitzer wurden demoliert, geplündert und in Brand gesteckt. Am Morgen des 10. Novembers wurde auch Abraham Schweizer zusammen mit weiteren jüdischen Männern verhaftet und zwei Tage später in das KZ Dachau gebracht. Nur 18 Tage darauf wurde er wieder freigelassen, kehrte aber aus Angst vor neuer Drangsalierung nie mehr nach Horb zurück, sondern zog zu seiner Familie nach Stuttgart.

Im Herbst des Jahres 1941 wurde Schweizer gemeinsam mit Verwandten nach Oberdorf am Ipf zwangsumgesiedelt und lebte dort in einem der sogenannten „Judenhäuser“. 1942 deportierte man ihn und weitere jüdische Mitbürger nach Theresienstadt. Noch im selben Jahr wurde er in das Vernichtungslager Treblinka verlegt, wo er, wie viele seiner Leidensgenossen, nur drei Jahre vor Kriegsende von den Nationalsozialisten umgebracht wurde. Sein Todesdatum blieb unbekannt. Sein Sohn Aaron, der im selben Haus in Stuttgart gewohnt hatte wie sein Vater, wurde aus Stuttgart nach Auschwitz deportiert und dort im Jahr 1943 ermordet. Mina Marx, Schweizers zweite Ehefrau, von der er sich jedoch hatte scheiden lassen, heiratete ein weiteres Mal und wurde ebenfalls deportiert und in einem KZ umgebracht.

Nach Ende der Präsentationen folgte eine Ansprache des Sohnes und Enkels der Goldschmidts, Paulo Neumann. Er sprach davon, wie er durch seine Eltern und Großeltern die Zeit des Zweiten Weltkrieges miterlebt hatte und er sein „deutsches Erbe“ nicht ins Vergessen bringen wolle, sondern stolz darauf sei, nicht wegen dem, was passiert sei, sondern wegen des Menschen, zu dem er durch die „deutsche“ Vergangenheit geworden sei und die ebenso zu seinem Leben gehöre.

Nach der kleinen Gedenkfeier in der Aula begaben sich die Schüler und die anderen Gäste auf den Schulhof vor dem Eingangsportal, auf dem Herr Zagst die zwei neuen Stolpersteine für Martha und Leopold Goldschmidt neben den anderen drei Steinen in den Boden einließ.

Janina M. (K1)