Ilja Trojanow 2006

Ilja Trojanow

„Gute Bücher haben keine Message“

Ilja Trojanow liest am GG Auszüge aus seinem neusten Buch „Der Weltensammler“


Das ist in etwa die „Message“, die der bulgarisch, deutsch und englisch sprechende und schreibende Ilija Trojanow den Schülern und Schülerinnen der Oberstufe bei seinem Besuch am Georgii-Gymnasium vermitteln wollte. „Literarische Texte haben genau das Gegenteil zum Zweck, nämlich zu verwirren, … eine Verschiebung von Gewissheiten. Und das ist genau das Gegenteil von einer Message.“ Ilija Trojanow, der im Rahmen der jährlich in Esslingen stattfindenden Veranstaltung „LesArt“, bei der große Autoren ihre Werke vorstellen, am 27.11.06 in der Aula des Georgii-Gymnasiums war, las aus seinem preisgekrönten Werk „Der Weltensammler“ und stellte sich im Anschluss den Fragen der Schülerinnen und Schüler.


„Nur Bücher mit Nutzwert haben natürlich eine Message“ – so lautet Trojanows Antwort auf die Frage, was er denn eigentlich den Lesern mit seinem neuen Roman vermitteln wolle. Seine Absicht sei vielmehr, das Leben aus einer anderen Perspektive erscheinen zu lassen, den Leser zu verwirren und ihn zum Nachdenken anzuregen.
Und das gelang Trojanow auch an diesem Vormittag: Mit angenehmer Stimme und der Gelassenheit eines Weltenbummlers stellte er sich nach der Lesung geduldig den Fragen der wissbegierigen Schüler.

Das zeigte schon die Vielfalt der Fragen, mit der Trojanow konfrontiert wurde.  In nicht weniger als 10 Ländern hat der Autor bereits gelebt, vorwiegend im afrikanischen Raum, und wo es ihn als nächstes hinverschlägt, weiß er noch nicht. Denn nicht das Land selbst sei es, was einem das Gefühl der Heimat vermittle, sondern „die Gesichter der Menschen, das Landschaftsbild oder auch eine bestimmte Sprache“. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er für sich einen eigenen Heimatbegriff definiert hat: „Gruß an Rüdiger, ich weiß nicht wovon er spricht“, sagt er schmunzelnd auf die Frage, was er von Rüdiger Safranskis Theorie halte, dass jeder eine feste Heimat braucht. Auch wo er seinen „Alterssitz“ aufschlagen wird, weiß er noch nicht. „Ich halte es für einen großen Fehler, das Leben danach aufzustellen, was man im Alter macht. Man soll leben, solange man jung ist, das sind die besten Jahre“.
Vermutlich ist das auch der Grund, weshalb seine Hauptfigur im Roman der authentische Weltreisende Richard Burton ist: auch er bereiste im 19. Jahrhundert das Ausland, den weiten, asiatischen Raum und durchlebt in vollen Zügen den Wandel der fern-östlichen, arabischen und afrikanischen Kultur. Sogar eine Liebesgeschichte ist im Roman enthalten, woraus Trojanow eine Passage zum Besten gab. „Ihr werdet es nicht glauben, aber für diese Passage habe ich ein ganzes Jahr gebraucht. Nichts ist schwieriger zu schreiben als Liebesgeschichten.“ Und daran seien vorwiegend die Medien schuld. Alle Gefühle und natürlichen Bedürfnisse der Menschen, so auch Liebe und Sexualität, werden durch die Medien verfälscht und missbraucht. So sei es schwer, die reine Form der Liebe, so „wie sie sei“, in literarischer Form wiederzugeben. Man müsse sich komplett befreien vom Joch der Medien. Ebenso beim Thema Terrorismus befänden wir uns im Bann des Fernsehens, so Trojanow. Es gäbe durchaus ebenso wichtige Themen (z.B. die Klimakatastrophe), die gleichermaßen wichtig seien, die Menschen aber nicht hinter dem Ofen vorlocken könnten, weil sie nicht wie der Terror die Sensationslust der Leute befriedigen könnten.
Religion war ein weiteres Thema, zu dem sich der Autor äußerte. Er selbst gehört der Glaubensrichtung der „Sufi“ an. Er glaube an einen „zyklischen Aufbau“ und eine stetige Weiterentwicklung im Leben, was sich auch in seinem Roman widerspiegelt. Er beginnt bereits mit dem Tod der Hauptperson, die Geschichte beginnt quasi „mit dem Kapitel 64“. Religion allgemein aber bedeute für ihn zwei Dinge: Einerseits die Suche nach Antworten, das natürliche Bedürfnis, Fragen zu stellen, die Augen zu öffnen. Andererseits bedeute Religion auch einen ganz zentralen Teil von Kultur. Die meisten Kulturen könne man ohne Religion gar nicht begreifen. Beide Aspekte der Religion tauchen auch in seinem Roman auf. Das Forschen in neuen Welten und das Verstehen fremder Kulturen.
Und so hätte wohl auch kein anderer dieses Buch farbiger und anregender schreiben können als Trojanow. Durch seine eigene Weltgewandtheit und seinen charmanten Witz wurde die Lesung zu einem funkelnden Ausflug in eine andere Welt. „Nur Bücher mit Nutzwert haben natürlich eine Message“ – mag sein, „Der Weltensammler“ jedenfalls lässt einen eintauchen in die schillernde Welt eines „Welten Sammelnden“, in das Flair der phantastischen, „fremden“ Welt Afrikas und Asiens.
Die „Verschiebung von Gewissheiten“, das „Gegenteil einer Message“, kam letztendlich doch bei allen gebannten Hörern an. Sozusagen eine Message als Antimessage.

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Schülerstimmen

(Texte entstammen den Federn des Deutschkurses Klassenstufe 13 bei Herrn Miller)