No escape from reality? Schulkonzert 2023 des Georgii-Gymnasiums im Gemeindehaus am Blarerplatz

10.07.2023  (C.S.; Fotos J.K.)  –  Es war ein phantastischer Abend, und das in mehr als nur einer Hinsicht. Alle Musikensemles des Georgii-Gymnasiums hatten sich vorbereitet, geprobt und gefiebert – und das Ergebnis nahm das Publikum mit in die unterschiedlichsten Vorstellungswelten.

In seiner Begrüßung hob Schulleiter Gereon Basler hervor, wie unter der Leitung der Musiklehrerinnen und -lehrern aus den fast 200 einzelnen musikbegeisterten Schülerinnen und Schülern sieben richtige Ensembles wurden. Die große und manchmal anstrengende Arbeit, die für alle Beteiligten dahinterstecke, glänze gerade durch ihre Unsichtbarkeit. Am Ende stehe dann doch ein Konzert wie dieses, das seine Aktiven und sein Publikum in eine hörende, sehende und fühlende Gemeinschaft verwandeln könne.

Wie wahr diese Worte waren, zeigte sich im Verlauf des Abends durchgängig:

Mit einer charmanten Orchestersuite in F-Dur von Jean-Joseph Mouret eröffnete das Unterstufenorchester würdig das Konzert. Der einheitliche, ausgewogene Klang und die beachtliche saubere Intonation auch bei harmonisch anspruchsvollen Passagen erfreuten ebenso wie die aufmerksame Abstimmung aufeinander, dank derer Orchesterleiter Herr Kögel sogar auf sein Dirigat verzichten konnte und am Piano mitspielte. Nach dieser feierlich-traditionellen Darbietung wurde die Stimmung immer ausgelassener; man denke nur an den neckischen Dialog zwischen Streichern und Blechbläsern in Johnann Strauss’ "Feuerfest (op. 269)" und das letzte Stück der jungen Instrumentalisten, die bekannte Melodie "Meet the Flintstones" von William Hanna und Joseph Barbera. Alle Stücke wurden vom Nachwuchskonzertmeister Felix F. (7d) präzise und akzentuiert angeführt.

Nach der Erinnerung an die liebenswerten Steinzeitmenschen entführte die Band der Klassen 6 unter der Leitung von Herrn Fink die Anwesenden auf eine imaginäre Weltreise: zu Leonard Bernsteins "West Side Story" mit "I like to be in America", nach Italien mit dem Volkslied "Bella ciao", auf die Weiten des Ozeans mit "Sailing" von Gavin Sutherland und nach Südamerika mit dem schwungvollen "Samba de Janeiro" von Airto Moreira, Gottfried Engels und Ramon Zenker. Dass sich schon in einer sechsten Klasse so wunderbare Solisten finden, die wie echte Profis auch kleine technische Pannen und musikalische Unebenheiten locker überspielen und die verschiedensten Stimmungen in den Raum zaubern, ist bemerkenswert.

Da mussten die Großen mit ihrer Band (Kl. 7-12) natürlich mithalten, und das taten sie – ebenfalls unter der Leitung von Herrn Fink – denn auch. Die außergewöhnliche Bandbesetzung (u. a. zwei Querflöten und Violine) schuf ein emotionales Wechselbad, das die Zuhörenden besonders bei "Like You" von Amy Lee in überraschender Folge Schwermut, nervöse Unsicherheit und impulsive Entschlossenheit miterleben ließ. Lounge-Atmosphäre kam auf bei "Queen of Hollywood" von The Corrs und "My Immortal" von Amy Lee und Ben Moody. Kreativ war der Einfall, das Piano von zwei Händen, die zu zwei Spielern gehörten, erklingen zu lassen: Hier war ein besonderes Maß an Abstimmung gefragt.

Im Anschluss betrat der Chor der Klassen 5 und 6 unter der Leitung von Frau Steinke die Bühne. Der Funke an Begeisterung, den die Sängerinnen und Sänger bei ihren Gruselsongs von Peter Schindler ganz offensichtlich verspürten, sprang gleich aufs Publikum über – und das nicht nur wegen der lebhaften mimisch-gestischen Untermalung, der eingeblendeten (selbst gestalteten!) Hintergrundbilder und der witzigen Shopping-Szene beim "Das modische Nachtgespenst", die die gesungene Geschichte veranschaulichte. Auch wenn es sich bei den besungenen Gespenstern um eigentlich unheimliche Gestalten handelte, war der Unterhaltungswert dieses Beitrags riesig.

Der große Chor (Leitung: Frau Egner) geleitete das Publikum in die fiktiven Welten großer Kinofilme: "Let it go" aus dem Film "Frozen" sorgte mit einem Auftritt der Eiskönigin (Jonas O.) und Olaf, dem Schneemann, für befreiende Lacher, ohne dass dies am musikalischen Anspruch des Vortrags auch nur gekratzt hätte. Ist es nicht bezeichnend, dass der Chor gleich mit seinem ersten Lied Publikumsrufe nach einer Zugabe auslöste?  Auch "May it be" aus "Der Herr der Ringe – Die Gefährten" erklang sensibel umgesetzt. Unterstützt vom Chor der Klassen 7 folgte noch "A Million Dreams" aus "The Greatest Showman", bei der die Ausgewogenheit in dieser eindrucksvoll großen Gruppe besonders deutlich hervortrat. Spätestens, als die kniffligen Harmonien und trickreichen Wechsel in Stil und Melodik in der legendären "Bohemian Rhapsody" der Gruppe "Queen" die Sängerinnen und Sänger herausforderte, war die Souveränität des Chors bewiesen. Im Spiel mit räumlichen Klangeffekten, dynamischer Differenzierung und unterschiedlichem Ausdruck stand die plakative Anfangsfrage "Is this the real life? Is this just fantasy?" sehr präsent im Raum und ließ sich geradewegs auf die Gesamtleistung der Musikensembles an diesem Abend übertragen.

Denn gleich nach der Pause stellte sich diese Frage wieder. Wieder nämlich ging es auf eine Reise in die phantastischen Welten des Films, und dorthin brachte uns nun das Große Orchester unter Herrn Kögels Dirigat. Abenteuerlust weckten die "Selections from Indiana Jones"; ein Zeitsprung verlagerte dann das moderne Medium des Films in die Zeit des epischen Balletts: Mit der "Nussknacker-Suite" von Tschaikowsky, die durch ihre allgemeine Bekanntheit natürlich ein gewisses Risiko für die Musikerinnen und Musiker darstellte, bewies das Orchester seine Intonationssicherheit und sein harmonisch aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel, in dem die vielschichtigen Klangfarben der jeweiligen Führungsstimmen sorgfältig herausgearbeitet waren. Man konnte der „Zuckerfee“ fast beim Tanzen zusehen.

Eine Unterbrechung der Suite gab die Gelegenheit, den Lehrerinnen und Lehrern an den Musikschulen herzlich für ihre wertvolle Arbeit zu danken, ohne die ein solches gemeinsames Musizieren nicht möglich wäre. Das sich anschließende Intermezzo von Jonathan P. am Flügel stellte sich als ganz besonderer Gipfel im reichen und schönen Programm dieses Abends heraus. Sein Vortrag des "Poème pour piano: Ondine" von Maurice Ravel entrückte gewiss auch den letzten Realisten in eine völlig andere Welt.

Nach dieser musikalischen Höchstleistung vollbrachte Jonathan gleich noch eine, als zum Rollentausch aufgefordert wurde. So zeigte sich Herr Kögel, der frischgebackene Interims-Konzertmeister nachgerade als Teufelsgeiger, dem das Tanzbein juckt, der sich von den Weisungen des souveränen Dirigenten (aka Jonathan) löst, der frei nach Tschaikowsky die Suite rockt. Glücklicherweise fügte sich Kögels solistische Eskapade wieder ins Ensemble ein; das Orchester konnte wieder zusammen seinen präzise aufeinander bezogenen Gesamtklang entfalten. Vor allem beim letzten Satz, "Valse de fleur", fiel das Stillsitzen manch einem im Publikum sichtlich schwer.  

Spannungsreich und mit erstklassig ausbalanciertem Dolby-Surround-Gefühl setzte das Große Orchester noch ein weiteres Kapitel an die Reihe „Großes Kino“, als zum Abschluss James Bond sich mit einigen Filmmusikthemen die Ehre gab.

Ein phantastischer Abend, wirklich. Musikalische Ausflüge in Welten der Phantasie, ein unglaubliches Abschlussbild mit allen Aktiven auf der Bühne, ein spürbares, großartiges Miteinander weit über die einzelnen Musikstücke hinaus und über die Ensembles hinweg. Anders als in "Bohemian Rhapsody" proklamiert gab es hier eben doch den Ausweg aus dem drögen oder (und?) hektischen Alltag an Schuljahresende. Und das Wunderbarste daran war: Es war trotz allem ganz real mit ganz echten Schülerinnen und Schülern, Ehemaligen, Lehrerinnen und Lehrern. Ein großes Kompliment und herzlichen Dank an euch alle und natürlich an Frau Egner, Herrn Fink, Herrn Kögel und Frau Steinke!

P. S.: Damit auch ein wenig gemeckert wird: Warum habt ihr uns eigentlich die Zugabe verweigert?

Gesangsfreude pur
Der Große Chor zunächst noch ganz gediegen...
... bevor die Show begann!
Herr K. in Action.
Das Große Orchester